Über 1.300 km später

Wir haben eine Tour zum Milford Sounds gebucht.

Ein Fjord im Westen Neuseelands; im Schatten des Bergs Mitre Peak mit seinen zahlreichen Wasserfälle.

Wir haben ein richtiges Schnäppchen gemacht und bekommen auf dem Schiff ein wirklich vielfältiges Frühstück und haben auch noch Eintrittskarten für ein Unterwasserobservatorium.

Aufbruchstimmung kommt schon früh auf, um 6 Uhr morgens um genau zu sein.

Wir fahren in den Sonnenaufgang.

Von unserem Campingplatz bis zum ''Visitors Point'' sind es ungefähr zwei Stunden Fahrt.

 

Eingepackt in dickem Pullover, Regenjacke und mit Mütze auf'm Kopf geht unsere Schiffstour los.

Nach gutem englischen Frühstück (mit Bohnen und Würstchen) werden auch bereits die ersten Delfine im Wasser entdeckt.

Jessi kämpft etwas mit ihrer Seeübelkeit, also begeben wir uns nach draußen.

Es ist zwar etwas kalt, aber der Ausblick entschädigt für alles. 

Berge, deren Spitze bis in die Wolken hinauf reichen und ein blauer Himmel, so klar, dass es kaum zu glauben ist.

Der Kapitän des Schiffes steuert einen Wasserfall an.

Alle Passagiere stehen begeistert an der Reling.

Das Schiff fährt immer näher an die Wand heran, man spürt bereits die ersten Wassertropfen auf der Nasenspitze.

Jetzt sind wir so nah dran am Wasserfall, dass man nur die Hand ausstrecken müsste, um die Felswand des sich dahinter versteckenden Berges zu berühren. 

Auf dem Rückweg durch den ''Homer Tunnel'' trällern wir zwei dann noch lautstark << Die Elf vom Niederrhein >>.

Wir machen noch einen kurzen Zwischenstopp bei den ''Mirror Lakes'', deren Wasser so klar ist, dass man die Entchen bei ihren Tauchgängen hervorragend beobachten kann.

Es geht zurück in die Zivilisation, denn am nächsten Tag steht ein großes Ereignis auf Jessis Reiseplan.

Bungee Jump ist angesagt!

Eine Strecke von 288 km liegt bis dahin noch vor uns.

Unsere Tanknadel fällt immer weiter Richtung Null.

Keine Zapfsäule im Umkreis von 100 km.

Mit jedem Meter, den wir zurücklegen, kommen weitere Schweißtropfen auf meiner Stirn hinzu.

Doch wir erreichen gerade noch rechtzeitig eine Tankstelle.

Tief durchatmen. Wir hätten wohl beide nicht gewusst, was wir hätten tun sollen, wenn wir liegen geblieben wären.

Wir nächtigen in einem Holiday Park.

Das heißt: Duschen, Wlan, Waschmaschine, Trockner, Strom, Küche und alles, worauf wir die letzten Tage mehr oder weniger verzichtet haben.

Am kommenden Tag wird Jessi springen.

Ich habe das Gefühl, dass ich aufgeregter bin als sie.

Selbstverständlich kommen wir eine viertel Stunde zu früh an und dürfen uns die anderen Springer noch anschauen.

Auch hier wieder eine atemberaubende Kulisse.

Türkises Wasser, als hätte man ein Bild ganz unnatürlich bearbeitet.

Ich Mimmi springe natürlich nicht.

Mit Handy und Kamera ausgestattet warte ich auf der anliegenden Plattform, um alles ganz genau festzuhalten.

Nach gefühlten Stunden ist Jessi endlich dran.

Kaum ist sie mit ihren zusammengebundenen Beinen nach vorne gehüpft, winkt sie kurz und schmerzfrei in die Kameras und schon fliegt sie im freien Fall Richtung Wasser.

Ich halte den Atem an.

Das Seil reißt sie wieder nach oben und dabei dreht sie sich hundert mal um die eigenen Achse.

Noch voller Adrenalin erklimmt Jessi die Stufen, die sie wieder zu mir führen.

''Und wie war's ??'' 

''Geil, aber zu kurz.'' 

Video ausgesucht, das sie zusätzlich bekommt und dann geht es wieder weiter.

Als nächstes stehen die ''Blue Pools'' auf dem Plan.

Über eine Brücke erreichen wir nach kurzem Weg durch den Wald eine weitere Brücke.

WOW!

Auch hier dieses unnatürliche Türkis des Wassers, umgeben von hohen Felsen.

Wir lassen es uns natürlich nicht nehmen und wollen ein kleines Bad in diesem Natur-Pool nehmen.

Doch schon der erste Kontakt mit dem kleinen Zeh macht klar: ein entspanntes Bad wird das hier nicht.

Das Wasser ist eiskalt!
So stelle ich es mir vor, wenn man nur in Badesachen in meterhohen Schnee springt.

Trotzdem wagen wir Wahnsinnigen uns in das kalte Blau.

Nach einem kurzen Test, ob man das Wasser auch trinken kann (Ja, kann man, schmeckt sehr gut!), will ich natürlich einmal dort hindurch tauchen. 

Kaum unter Wasser, spüre ich auch schon die Kälte wie tausend kleine Nadelstiche auf meiner Haut. Und es fällt ungemein schwer, die Luft anzuhalten.

Wieder aufgetaucht, schnappe ich nach Luft, als sei ich eine ganze Bahn von 25 Metern getaucht.

Krass, wie sehr die Kälte auf die Lunge drückt.

Aber wer mich Wasserratte kennt, weiß natürlich auch, dass ich es einfach nicht lassen kann, immer wieder in das kühle Nass abzutauchen.

Richtig warm werden wir nach diesem Abenteuer aber irgendwie nicht mehr.

Kaum kitzelt die Sonne uns nicht mehr unsere Nasen, überkommt uns eine Gänsehaut und wir frösteln.

Am Abend haben wir mit unzähligen Sandflies zu kämpfen.

Selbst mein Sandfly-Schutz-Outfit (lange Trainingshose, Socken über der Hose, Strickjacke tief in die Stirn gezogen und das Band festgezogen) hilft nicht.

Jessi verwandelt unsere Decke im Auto kurzerhand in einen Sandfly - Friedhof. 

Die Decke ist kaum noch als solche zu erkennen. Hunderte kleine schwarze Punkte, die einmal Lebewesen waren. 

Leider ist das den anderen Sandflies keine Lehre und wir werden morgens wirklich unschön von einer ganzen Armee dieser Plagegeister geweckt.

Wandertag!

Wir machen uns trotz Regen und Kälte auf den Weg zum Jupp.

Also genau genommen zum ''Franz Josef Glacier'', benannt nach Franz Josef I. aus Österreich.

Erschreckend zu sehen, bis wohin der Gletscher noch im Jahr 1920 gereicht hat und wie weit er nun zurückgewichen ist.

Und dann gibt es tatsächlich immer noch Menschen, die behaupten, den Klimawandel gäbe es nicht bzw. wäre von den Chinesen nur ausgedacht.

Unglaublich!

Das wirklich schlechte Wetter schränkt unsere Sicht aber erheblich ein.

Wir können nur etwa 700 Meter weit gucken.

Aber allein fürs lange quatschen hat sich der Weg gelohnt.

Kurz hat Jessi übrigens versucht, mich loszuwerden, als sie beim navigieren mich einfach direkt auf die Brücke ins Wasser geschickt hat - hat nicht geklappt.

Das nächste Highlight steht auf dem Tagesplan. 

Eine Tour durch eine Glühwürmchen-Höhle. Aber nicht nur hindurch laufen und staunen - nein!
Mit Hilfe eines Reifens werden wir uns auf den Weg durch das Wasser bahnen.

An der Rezeption erstmal alles abgeben, was man so mit sich schleppt. Auch die Autoschlüssel.

Dann werden wir mit Socken, Schuhen, Neopren-Anzug und Helm ausgestattet.

Ich habe das Gefühl, ich bin ein richtiger Höhlenforscher.

Mit Bus und Bahn geht es dann Richtung Höhle.

Dort den Reifen in Empfang und 130 Stufen in Angriff nehmen. 

Die Höhle hat drei verschiedene Stufen, die wir nun erkunden werden.

Im ersten Bereich machen wir den ''absolut darkness''- Test.

Wir schalten unsere Lichter aus und es ist komplett dunkel.

Natürlich ist es, wenn ich meine Augen schließe auch schwarz, aber das ist ein anderes Schwarz.

Es ist so dunkel, dass ich nicht einmal sehen kann, wenn ich die Hand vor meinen Augen hin und her bewege.

Kein natürliches aber auch kein unnatürliches Licht stört die Dunkelheit.

Ob ich die Augen schließe oder öffne, macht absolut keinen Unterschied.

Unfassbar diese Dunkelheit, verknüpft mit absoluter Stille.

Endlich erreichen wir Wasser.

In den Reifen schwingen, Kopf in den Nacken legen und treiben lassen.

Über mir unzählig viele kleine blaue Lichter.

Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hinschauen soll.

In jedem Winkel ist ein Glühwürmchen versteckt und immer wieder entdecke ich neue erleuchtete Stellen.

Leider ist die Fahrt durch die Höhle nach rund 10 Minuten auch schon wieder vorbei.

Es heißt wieder den Reifen aufsatteln, aus der Höhle klettern und zum nächsten Wasser gehen.

Dort geht es mit den Reifen den Fluss weiter hinunter.

Gemütliches hinunter treiben, mit manchen etwas schnelleren Stellen, aber auch vielen Steinen, die einen immer wieder ausbremsen.

Was für ein geiler Trip!

Nach der Rückkehr schwingen wir uns unter die heiße Dusche.

Tut das gut!

Glücklich, hungrig und immer noch aufgeregt machen wir uns auf den Weg zur Rezeption, um unseren Autoschlüssel abzuholen.

Schock!
Panik!
Wut!

Der Schlüssel ist weg!

Die etwas skurrile, englisch sprechende Dame der Rezeption sucht alles ab, doch unser Autoschlüssel bleibt unauffindbar.

Du fragst dich  jetzt sicherlich, was denn daran jetzt sooo schlimm ist.

Nun: Auf Empfehlung der Veranstalter sollten wir alle Wertsachen im Auto lassen und den Schlüssel der Rezeption geben, damit nichts verloren geht.

Im Klartext:

Kein Handy. Kein Geld. Kein Ausweis. Kein Reisepass. Kein gar nichts.

Wir könnten nicht einmal beweisen, dass es sich wirklich um unser Auto handelt.

Die Vermutung steht im Raum, dass ein anderer Gast die Schlüssel aus Versehen mitgenommen hat.

Eine Telefonnummer zu diesem Herrn gibt es jedoch nicht.

Die immer wiederholte Aussage der Dame, dass sei ihr noch nie passiert, lässt meine Wut immer weiter hochkochen.

Ich kann es kaum verstecken, denn ich male mir in meinem Kopf schon die schlimmsten Szenarien aus.

Wo sollen wir schlafen?
Was sollen wir essen?

Wie kommen wir weder an den Schlüssel?

Ist es einfach ein Auto aufzubrechen?

Und wie lässt man einen neuen Schlüssel anfertigen ohne den original Schlüssel?

Netterweise bekommen wir etwas zu essen angeboten. 

Als wir also vor dem Kühlschrank stehen und zwischen verschiedenen Sandwiches wählen dürfen, spricht uns die skurrile Dame auf einmal auf Deutsch an!

Das erhöht meinen Wutpegel noch weiter, denn ich frage mich, warum sie die ganze Zeit mit uns Englisch spricht, obwohl sie weiß, dass wir Deutsche sind.

Wirft uns irgendwelche englischen Fachwörter um die Ohren, obwohl sie auch einfach deutsch mit uns hätte sprechen können.

Nach einem weiteren Keks und drei Stunden später endlich der ersehnte Anruf!

Der Besucher hat tatsächlich den Schlüssel eingesteckt.

Ins Auto geschwungen und in den 30 Minuten entfernten Ort gefahren.

Ein vom schlechten Gewissen gezeichneter Herr überreicht uns peinlich berührt unseren Schlüssel.

Das Ganze hat dann noch etwas Positives.

Wir werden auf ein Essen von der Tour-Organisation eingeladen, essen lecker und trinken eine noch leckerere Sprite!

Die Reise geht weiter in den Norden nach Denniston. 

Dort wunderschöne, alte Bahngleisen erkundet.

Hier soll einmal unheimlich viel Leben geherrscht haben und nun ist es verlassen und von der Stadt kaum mehr etwas zu erkennen.

Fotosession ist angesagt.

Es werden unzählige.

Dann Wanderschuhe an und weiter geht es.

Wir zwei gackernden Hühner bahnen uns unseren Weg über die alten Bahnschienen bei Hector. 

Völlig ins Gespräch vertieft frage ich Jessi, was wir uns hier eigentlich noch einmal anschauen wollen? 

''Eine Ruine, Watsons Mill, um genau zu sein.''
Da sind wir zwei Hühner doch tatsächlich vor lauter quatschen an unserer nächsten Attraktion einfach dran vorbei spaziert. 
Und es fällt uns erst eine Stunde später auf.

''Weiber'', wie mein Paps jetzt liebevoll sagen würde.

Also den Rückweg wieder angetreten.

Zu unserer Verteidigung war diese abgelegene Bahnstrecke auch wirklich kaum zu erkennen! 

Wir halten noch an einer Höhle, in die wir hinunter klettern und lassen uns einmal mehr von wunderschönen neuseeländischen Momenten beeindrucken. 

Was haben wir nur für ein Leben!